CLUE Computerlinguistik Uni Erlangen

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3.1. Theorie der links-assoziativen Grammatik

Die links-assoziative Grammatik (LA-Grammatik), wie sie von Hausser dargestellt wird, 45 basiert auf der zeitlinearen Struktur der natürlichen Sprache und dem Prinzip der möglichen Fortsetzungen. Der Begriff der zeitlinearen Struktur der natürlichen Sprache bezeichnet den Umstand, daß der/die Sprecher/in während einer Äußerung in der Zeit fortschreitet und so Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort nacheinander von sich gibt. Auch für den/die Hörer/in stellt sich diese zeitlineare Struktur ein, da die Äußerungen nacheinander aufgenommen werden.

So nimmt die Syntax der LA-Grammatik also von links nach rechts fortschreitend einen Satzanfang und ein nächstes Wort und verbindet sie zu einem neuen Satzanfang, was genau die zeitlineare Struktur der natürlichen Sprache widerspiegelt.

Syntax der LA-Grammatik

Wie in einer kategorialen Grammatik wird den Worten in der LA-Grammatik eine bestimmte Kategorie zugeordnet. 46 Diese Kategorie erhalten die Worte durch eine links-assoziative morphologische Analyse. Diese wird für jedes Wort durchgeführt, bevor es an die links-assoziative syntaktische Analyse weitergereicht wird. Dann werden Regeln formuliert, welche die Kategorien des Satzanfangs und des nächsten Worts prüfen und danach entscheiden, welche Fortsetzung möglich ist. Mit den Kategorien und dem Prinzip der möglichen Fortsetzungen wird also gewährleistet, daß die Worte auch in der richtigen Reihenfolge zu einem Satz verbunden werden.

Zur Erläuterung dieser Prinzipien werde ich den obigen Beispielsatz die Menschen segeln das Schiff unter links-assoziativer Sichtweise analysieren.

Der Satzanfang des Beispielsatzes die hat die Kategorie "Artikel im Femininum Nominativ, Femininum Akkusativ, Plural Nominativ oder Plural Akkusativ (FN|FA|PN|PA)", 47 was bedeutet, daß es möglich ist, den Satz mit einem Nomen fortzusetzen, welches in einer der oben genannten Formen vorkommt. Es stehen also an diesem Punkt vier Wege offen, den Satz fortzuführen. Das nächste Wort Menschen hat die Kategorie "Nomen im Maskulinum ohne Nominativ oder Plural (M-G|P)" und läßt sich daher mit dem Satzanfang auf zwei Weisen zu dem neuen Satzanfang die Menschen zusammensetzen, denn der Plural von Menschen kann sowohl mit der Form im Plural Nominativ als auch mit der Form im Plural Akkusativ von die verbunden werden. Die Kategorie des neuen Satzanfangs ist daher "Nominalphrase im Plural Nominativ oder Plural Akkusativ (PN|PA)", es stehen also an diesem Punkt nur noch zwei Wege offen, den Satz fortzuführen. Das nächste Wort segeln hat die Kategorie "Verb im Präsens Indikativ Aktiv, fordert einen Nominativ in der ersten oder dritten Person Plural, sowie einen Akkusativ (V P13 A)" und läßt sich daher mit dem Satzanfang immer noch auf zwei Arten zu dem neuen Satzanfang die Menschen segeln zusammensetzen, denn der Satzanfang die Menschen kann sowohl die Nominativvalenz im Plural als auch die Akkusativvalenz des Verbs segeln füllen. Die Kategorie des neuen Satzanfangs ist daher "Verb im Präsens Indikativ Aktiv, fordert einen Akkusativ oder Verb im Präsens Indikativ Aktiv, fordert einen Nominativ in der ersten oder dritten Person Plural (V A|V P13". Es stehen also an diesem Punkt immer noch zwei Wege offen, den Satz fortzuführen. Das nächste Wort das hat die Kategorie "Artikel im Neutrum Nominativ oder Neutrum Akkusativ (NN|NA)" und läßt sich daher mit dem Satzanfang nur noch auf eine Weise zu dem neuen Satzanfang die Menschen segeln das zusammensetzen, denn das nächste Wort das kann nur die Akkusativvalenz und nicht die Nominativvalenz im Plural füllen. Die Kategorie des neuen Satzanfangs ist daher "Verb im Präsens Indikativ Aktiv mit Artikel, der ein Nomen im Neutrum Akkusativ fordert (V NA)". Es steht also an diesem Punkt nur noch ein Weg offen, den Satz fortzuführen. Das nächste Wort Schiff hat die Kategorie "Nomen im Neutrum ohne Genitiv (N-G)" und kann mit dem Satzanfang zu dem neuen Satzanfang die Menschen segeln das Schiff mit der Kategorie "Verb im Präsens Indikativ Aktiv (V)" verbunden werden, weil es die Forderung nach einem Neutrum Akkusativ erfüllt. Da es kein nächstes Wort mehr gibt, ist die Analyse hiermit beendet und die Kategorie gibt an, daß alle Valenzen des Verbs richtig besetzt sind und keine zusätzlichen Valenzfüller aufgetreten sind. Die Analyse ist demnach korrekt.

Analyse mit LA-Grammatik

Der oben beschriebene Ablauf läßt sich auch formal als Ablauf eines Regelschemas darstellen. Die Eingaben für die hier beschriebenen links-assoziativen Regeln sind ein Satzanfang (sentence start ss) und ein nächstes Wort (next word nw), die Ausgabe ist ein neuer Satzanfang (sentence start' ss').

Ein Satzanfang ist dabei ein geordnetes Paar aus einer Liste von Wortoberflächen und einer Kategorie.

(w1 w2 ... wn catss)

Ein nächstes Wort ist dabei ein geordnetes Paar aus einer Wortoberfläche und einer Kategorie.

(wn+1 catnw)

Eine Kategorie besteht aus einer Liste von Kategoriensegmenten.

(P13 A V)

Links-assoziative Regeln (LA-Regeln) haben die Form:

ri: [ CAT-1 CAT-2 ] ==> [ { rpi } CAT-3 ]

Eine LA-Regel besteht also aus einem Regelnamen ri, der zur Identifikation der Regel in anderen Regelpaketen dient, einer Operation und einem Regelpaket rpi. Die Operation bestimmt die Eingaben von Satzanfang (CAT-1) und nächstem Wort (CAT-2) und leitet daraus die Ausgabe (CAT-3) ab. Das Regelpaket rpi der Regel ri besteht aus einer Liste von Regelnamen (r1 r2 ... rn). Diese so bezeichneten Regeln geben die verschiedenen Möglichkeiten der Fortsetzung an, wenn die Regel ri erfolgreich war.


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